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Anna

                     HBAC mit überraschender Wendung

 

In der Nacht vor Annas Geburt sind wir spät zu Bett gegangen, weil wir unbedingt das Finale der Tanzshow "Let’s Dance" sehen wollten. (Als begeisterte Tänzer konnten wir dieses Hobby in der Corona-Zeit ja leider nicht selbst ausüben.) Schon in den Tagen davor hatte ich das Gefühl, dass dieses Finale auch das Finale meiner zweiten Schwangerschaft werden könnte. Zwischen 1:00 Uhr und 3:00 Uhr nachts spürte ich intensivere Senkwehen, so wie bereits einmal zwei Tage davor. Ich wollte aber unbedingt noch etwas schlafen, was auch gelang, nachdem die Wehen um etwa 3:00 Uhr nachts wieder aufgehört hatten. Nach drei Stunden Schlaf wurde ich um etwa 6:00 Uhr morgens von einer Wehe geweckt. Dieses Mal fühlte es sich nach Geburtsbeginn an: Ganz klar, das waren erste geburtsvorbereitende Wehen, wie ich sie bei meiner großen Tochter auch schon mal erlebt hatte. Um das zu testen, ließ ich mir nach einiger Zeit eine Wanne ein. Die Wehen blieben bestehen und kamen schön regelmäßig etwa alle drei bis fünf Minuten. Unser „Mini-Menschlein“ im Bauch streckte sich immer, bevor eine Wehe kam und gab damit den Rhythmus vor.

Irgendwann nach 8:00 Uhr riefen wir Anna an und sie war um etwa 9:00 Uhr da (da wir ca. 40 Auto-Minuten von ihr entfernt wohnen). Sie hörte die Herztöne ab und untersuchte mich auf meinen Wunsch hin, was eine Muttermundseröffnung von 1 cm ergab. Damit war klar, dass die Geburt noch einige Zeit auf sich warten lassen würde und ich war einverstanden, dass Anna noch einmal nach Hause fuhr (zumal Samstag war und (wie ich erst hinterher erfahren habe) an dem Tag bei ihr ein Kindergeburtstag geplant war). Irgendwie hatte ich im Gefühl, dass sie Zeit zuhause brauchte. (Verrückt, wie sensibel die "Antennen" in dieser besonderen Situation sind). Für mich war das bestens in Ordnung, denn ich wollte die erste Zeit der Wehen in der Wanne verbringen und die Hypnobirthing-Atmung und -Entspannung anwenden, was auch gut funktionierte. Das warme Wasser war für mich sehr hilfreich, um tief entspannen zu können. Entgegen meinen Plänen blieben die Bluetooth-Kopfhörer samt der Entspannungsmusik in der Schublade. Die Ruhe und das warme Wasser reichten mir vollkommen. So ging es stundenlang weiter. Die Wehen waren gut zu veratmen und in der Wanne am angenehmsten, die ich deshalb nur verließ, um ab und zu auf die Toilette zu gehen. (Totes-Meer-Salz im Wasser sorgte dafür, dass die Haut nicht allzu schrumpelig wurde.)

Irgendwann am frühen Nachmittag spürte ich die Wehen auch im Kreuzbein und mein Partner Thomas drückte auf mein Handzeichen hin während der Wehen von außen dagegen, was das Gefühl angenehmer machte. Etwas später ging der größte Teil des Schleimpfropfes auf der Toilette ab und ich hatte Durchfall - ein sicheres Zeichen, dass mein Körper sich zunehmend auf die Geburt vorbereitete. Ich blieb völlig entspannt und kam weiterhin gut mit den Wehen klar, wobei mein Partner mir nur von der Seite wich, um z.B. etwas zum Trinken oder Essen zu holen (wovon ich nur sehr wenig zu mir nahm). Über die Stunden hinweg war der Babybauch schon sichtbar nach unten gewandert und ich amüsierte mich über die Formveränderung.

Am späteren Nachmittag jedoch wechselten die Wehen ziemlich plötzlich ihren Charakter und ließen sich immer schlechter veratmen. Auf meine Bitte hin rief mein Partner Anna an, die sich sofort auf den Weg machte. Jetzt musste ich die Wehen schon deutlich vertönen. Als Anna (nach einer gefühlten Ewigkeit) da war, waren die Wehen schon sehr intensiv und lang und ich musste dieses krampfartige Gefühl über meinem Schambein laut vertönen. Die Herztöne unseres "Mini-Menschleins" waren nach wie vor in Ordnung und ich bat sie erneut, mich zu untersuchen, weil ich überzeugt war, dass das die Übergangsphase sein müsse. Das Ergebnis war: Muttermund 2 cm, aber schon weich. Anna und ich waren beide der Meinung, dass das noch einige Zeit dauern kann. Weil ich die Wehen in der Spitze als ziemlich schmerzhaft empfand, bat ich Anna um ein Buscopan-Zäpfchen, dessen Wirkung ich allerdings kaum registrierte. Ein paar Wehen später traf ich die Entscheidung, doch in die Klinik zu fahren, denn diese Schmerzen würde ich nicht mehr stundenlang aushalten. Aufgrund meiner extrem schlechten Erfahrungen bei der ersten Geburt (ungeplanter Kaiserschnitt wegen BEL) war die Klinik von Anfang an nur ein Notfall-Szenario für mich. Doch unter diesen intensiven Wehen kam mir für einen Moment der Gedanke, dass ich die Heftigkeit von Wehen wohl doch naiv unterschätzt hatte und die anästhesiologischen Möglichkeiten in Kliniken offenbar nicht ganz grundlos vorgehalten werden. Anna sah keinen Grund für eine Verlegung und redete mir Mut zu, doch ich hatte die Entscheidung ganz nüchtern getroffen: Das hier KONNTE ich nicht mehr stundenlang aushalten, obwohl ich mich mit Anna als Begleitung sehr wohl fühlte. Andererseits konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich so in ein Auto kommen, geschweige denn angeschnallt sitzen sollte.

"Das schaffst du!" ermunterte mich Anna. Außerhalb des warmen Wassers im aufrechten Stand wurden die Wehen noch ein wenig fieser. Anna tönte mit mir und ich sollte mich in einer Wehe an ihr festhalten, was total gut getan hat. Auf dem Weg nach unten auf der Treppe (wir waren zuvor im Dachgeschoss) hatte ich noch ein paar Wehen, die weiterhin so fies waren. Ich klammerte mich am Treppengeländer fest und tönte mit Anna. Im Hausflur angekommen rannte Anna unmittelbar nach einer Wehe nach draußen, um ihr Auto in die Nähe der Haustür zu fahren. Ich wollte unbedingt in ihrem Auto zur Klinik fahren. Anna war noch nicht zurück, als die nächste Wehe heranrollte. In dieser Wehe ließ ich bewusst den Beckenboden locker, wie Anna mir geraten hatte. Ich spürte, wie sich die Fruchtblase vorwölbte und platzte. Mit dem Abklingen der Wehe lief klares, warmes Fruchtwasser an meinen Beinen herunter. Ich stotterte, als ich zu meinem Partner sagte: "Die Fru-, die Fru-, die Fruchtblase." Dann erschien Anna wieder in der Tür und ich sagte ihr, dass die Fruchtblase geplatzt war und ich Druck nach unten verspürte. Anna daraufhin: „Das Baby kommt! Aber nicht hier. Noch nicht pressen!" Ich: "Wieso nicht hier?" Mir war alles egal. Im Wohnzimmer vor und auf der Couch war das Malervlies ausgelegt und irgendwie schafften es Anna und Thomas, mich zu stützen und mich vor die Couch zu bringen, wo mich Anna in den Kniestand brachte, mir die Hose aus- und meine Knie auseinander zog. Das muss alles sehr schnell gegangen sein, denn kaum an der Couch angekommen, hatte ich schon die erste richtige Presswehe, mit der sich unser "Mini-Menschlein" in einem Zug bis zum Beckenboden vorarbeitete. Das fühlte sich ein bisschen wie ein kleiner "Fahrstuhl"an, der nach unten fuhr, weil es so reibungslos und schnell ging. "Es hat dunkle Haare." stellte Anna fest. Zum Denken oder Angst haben blieb mir keine Zeit. Ich wollte nur, dass die Wehen (und mit ihnen die Schmerzen) endlich aufhörten. Bei der nächsten Wehe presste ich, was das Zeug hielt, wobei der Damm einriss, was ich zwar wahrnahm, mir aber völlig egal war. Mit einem brennenden Gefühl erschien der Kopf und unser Baby gab leise Geräusche von sich. "Willst du mal fühlen?" fragte Anna. Ich wollte, aber ich konnte nicht. Zu sehr war ich auf die Vorgänge in meinem Körper konzentriert. Mit der letzten Presswehe kam dann der restliche Körper der Kleinen, die von Anna aufgefangen und zwischen meinen Beinen abgelegt wurde. Etwas überrumpelt von dem schnellen Geschehen sah ich sie liegen, begrüßte sie mit einem "Da bist du ja!" und konnte es noch nicht so recht glauben. Dann legte ich mich auf die Couch mit unserem kleinen Töchterchen auf dem Bauch, die mich mit zwinkernden Augen ansah. Es war unglaublich, ich hatte es geschafft! Alles erschien mir so normal, geradezu selbstverständlich. An meine Kaiserschnitt-Narbe dachte ich an dem Tag nur einziges Mal, als die Wehen sehr heftig waren und ich beschloss, ins Krankenhaus zu fahren. Da war der Schmerz über dem Schambein an einer ähnlichen Stelle wie die alte Narbe und ich fragte mich, ob die Narbe die Schmerzen irgendwie „anzog“. Angst vor dem Reißen der Narbe hatte ich zu keinem Zeitpunkt.

Um unsere kleine Tochter leichter anlegen zu können, durfte Thomas die auspulsierte Nabelschnur durchschneiden – und nach einer ganzen Weile wurde die Plazenta dann in einer weiteren Wehe geboren. Anna zeigte und erklärte sie uns auf unseren Wunsch hin, was ich total faszinierend fand. Sie war vollständig und offenbar „genau auf den Punkt“, wie Anna es formulierte. D.h. sie war bereits gealtert, aber nicht zu sehr. Den Dammriss ließen wir etwa drei Stunden nach der Geburt in der Klinik nähen, in der ich mich für den Fall der Verlegung angemeldet hatte. Anna fuhr mich dorthin, musste wegen der Corona-Regeln allerdings leider vor der Tür warten. Bis zur Fahrt in die Klinik konnten meine kleine Tochter und ich ununterbrochen kuscheln. Die große Schwester (die mit den Großeltern während der eigentlichen Geburt einen Ausflug gemacht hatte) durfte sie kennenlernen, nachdem alles aufgeräumt war. Während des Aufenthalts in der Klinik blieb unser Neugeborenes auf Papas Arm, weshalb die beiden heute ebenfalls eine wirklich gute Bindung haben.

Ich bin sehr dankbar für diese völlig komplikationslose und leichte Geburt meiner zweiten Tochter. Diese Erfahrung steht im völligen Gegensatz zu der furchtbaren Erfahrung mit dem ungewollten Kaiserschnitt bei meinem ersten Kind. Das hat ganz viel geheilt. Auch der sogenannte Baby-Blues ist dieses Mal völlig ausgeblieben. Für mich war die Hausgeburt die absolut richtige Entscheidung und ich würde es nie mehr anders machen, wenn ich noch ein weiteres Kind bekommen würde. Ein ganz großes Dankeschön an Anna, dass sie diesen fordernden Beruf in dieser Zeit mit so viel Herzblut ausübt! Durch sie dürfen Frauen solch bestärkende, heilsame Erfahrungen machen.

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