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Mathilda
20.03.2020*.
2950g. 49cm

Geburtsbericht Mathilda
 

Prolog
Es hat ziemlich lange gedauert, bis wir die Geschichte der Geburt unserer Tochter Mathilda zu Papier gebracht haben. Und eine gefühlte Ewigkeit brauchte es, bis wir sie dann auch an Anna sendeten. Und dabei hatten wir keine „schlimme“ Geburt deren Verarbeitung Zeit gekostet hätte – im Gegenteil: Die Geburt war wunderschön. Und daran hat Anna einen wahnsinnig großen Anteil…
Schon bevor ich zum ersten Mal schwanger wurde, habe ich mich gedanklich mit dem Thema Hausgeburt auseinander gesetzt. In meinem Kopf war unser Zuhause die natürlichste und sicherste Umgebung, um ein Kind auf die Welt zu bringen. Ziemlich schnell nach dem positiven Schwangerschaftstest habe ich meinem Mann Christian von diesem Wunsch erzählt und – wie so viele andere nachfolgende – viel auch seine Reaktion alles andere als begeistert aus. Davon unbeeindruckt habe ich mich bereits nach dem ersten Frauenarzttermin auf die Suche nach einer Hausgeburtshebamme gemacht und dabei Anna gefunden. Welch ein Glück wir doch mit ihr haben sollten!
Im Laufe der Schwangerschaft habe ich mehr und mehr Vorsorgetermine bei Anna in Anspruch genommen und dafür sogar nochmal meinen Frauenarzt gewechselt. Ich brauchte schließlich einen Arzt, der meinem Wunsch nach geteilter Vorsorge offen gegenüberstand. Die Vorsorgen bei Anna waren toll. Ich habe es sehr genossen, diese „ursprüngliche“ Verbindung zu meinem Kind aufzubauen und auf Annas Erfahrung und Handwerk zu vertrauen.
Mein errechneter Geburtstermin sollte der 21. März 2020 sein. Die Schwangerschaft verlief ohne Probleme und ich fühlte mich prima. Lediglich das fehlende Bauchwachstum in den letzten Wochen bereitete Anna etwas Stirnrunzeln. Da ich aber so kurzfristig keinen Ultraschalltermin mehr bei meinem Arzt bekam und wegen der aufkeimenden Coronalage für einen Kontrollultraschall nicht ins Krankenhaus wollte, verließ ich mich auf Anna, ihr Bauchgefühl und das CTG.
Am Freitag, den 20. März 2020 kamen dann – völlig aus dem Nichts – die ersten Wellen. Wir haben morgens noch das halbe Wohnzimmer abgebaut um Handwerkern Platz zu machen und als ich mich gegen 14:30 Uhr mit einem Ziehen im Rücken auf das Sofa lege, glaube ich noch, dass das Rumturnen auf der Leiter wohl doch etwas zu viel Anstrengung für heute gewesen sein muss. Die Schmerzen werden ziemlich schnell stärker und um 14:37 Uhr habe ich bereits das Bedürfnis aufzuschreiben, wann der Schmerz kommt und wann er geht. Ich bin überrascht, dass diese Schmerzwellen schon so lange andauern und in solch kurzen Abständen kommen – das hatte man uns im Geburtsvorbereitungskurs doch ganz anders erzählt…
Gegen 15:05 Uhr entscheide ich, in die Badewanne zu gehen. Die Wellen bleiben und werden immer kräftiger. 15:18 Uhr – ich schreibe eine SMS an Anna und sage ihr, dass wir unseren Vorsorgetermin um 17 Uhr heute in ihrer Praxis vermutlich nicht mehr wahrnehmen können. Die Wellen sind nun ziemlich stark. Um 15:32 Uhr wechsle ich von Stift und Zettel zur Smartphone-App um die Wellen zu dokumentieren. Ich will nur noch Start und Stopp drücken und nicht mehr viel denken. Endlich hat auch Christian verstanden, dass wir wohl schon tatsächlich mitten in der Geburt stecken. Die Wellen kommen im Abstand von ca. 1 bis 3 Minuten und dauern rund 40-50 Sekunden. Gegen 16 Uhr bitte ich Christian, Anna anzurufen. Anna möchte in einer Wehenpause mit mir am Telefon sprechen. Sie sagt, sie sei auf dem Weg nach Hause mit ihren Kindern und, dass sie rund 1:30 Stunden zu uns brauchen wird. Anna hört wohl, wie stark ich die Wellen schon veratmen muss und sagt, dass sie sich beeilt. Die Zeit bis Anna wirklich klingelt, kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Die Wellen kommen jetzt schon alle 1,5 Minuten und dauern rund 60 Sekunden an. Die Schmerzen sind ziemlich heftig. Ich wechsele aus der Badewanne auf den Badezimmerboden und dann ins Bett. Es ist alles so furchtbar unbequem. Ich knie mich vor das Bett auf eine Sportmatte. Gegen 17:15 Uhr ist Anna endlich da. Ich fühle mich sehr erleichtert! Bevor Anna kam war ich zwar nicht besorgt oder ängstlich, aber das Bedürfnis nach Annas Ruhe, Souveränität und Expertise war groß. Nach einer kurzen Begrüßung hört sie die Herztöne ab. Sie sieht, wie schwer die Wellen schon sind und sagt, dass sie zum Auto geht und ihre Sachen holt. Ich bin so froh, dass sie da ist und bleibt. Ich spüre etwas Warmes an meinen Beinen. Als Anna zurück ist bietet sie an, mich zu untersuchen. „Oh ja, wir sind bei 7-8cm.“, höre ich sie sagen. Bei einer der nächsten Wellen platzt dann die Fruchtblase. Das Fruchtwasser ist grün, aber Anna erläutert ganz ruhig: „Das Baby hat Stuhl abgesetzt, vermutlich weil es unter Stress geraten ist. Wir kontrollieren die Herztöne nun einfach häufiger.“. Der Druck nach unten wird stärker. Anna erzählt mir, dass sie Brigitte (unsere zweite Hebamme) angerufen hat, als sie am Auto ihre Sachen holen war. Ich freue mich, weil das vermutlich bedeutet, dass es nicht mehr lange dauert bis unser Baby da ist. Die Zeit verschwimmt. Ich habe keine Ahnung wie spät es ist. Anna untersucht mich noch einmal. Ein kleines Stück muss der Muttermund noch aufgehen, ich solle den Druck nach unten veratmen, sagt sie. Irgendwann habe ich den Drang mitzuschieben. Ich knie noch vor dem Bett, habe nur noch klitzekleine Pause zwischen den Wehen. Ich bekomme mit, dass jemand den Raum betritt und höre ein leises „Hallo Juliana. Ich bin es, Brigitte.“ Wir wechseln irgendwann auf den Gebärhocker, ich schiebe mit. Plötzlich fällt mir ein, dass Christian noch gar keinen Kaffee für den Dammschutz gekocht hat. Und überhaupt – wir haben einfach mal gar nichts aus der Geburtskiste geholt, die ich extra vorbereitet habe. Keine Kleidung, keine Affirmationskarten, keine Müsliriegel. Nicht mal Handtücher und Malervlies haben wir zum Schutz ausgelegt. Es ging einfach alles viel zu schnell. Christian eilt also, um zumindest noch Vlies im Schlafzimmer auszulegen. Anna fühlt nach dem Köpfchen. Sie sagt etwas von den Fontanellen und lässt Brigitte auch fühlen. Die beiden sind sich einig: Unser Baby ist ein Sternengucker. Ich frage, ob das ein Problem ist. Anna antwortet ziemlich trocken „Nee, es wird für dich nur etwas anstrengender.“ Anna und Brigitte scheinen sich kurz in Ruhe über die nächsten Schritte und möglichen Positionen zu beraten. Sie schlagen mir dann vor, mich auf die linke Seite ins Bett zu legen. Die Beine muss ich anwinkeln und mich bei der Welle klein machen. Eine sehr unbequeme Position, wie ich finde. Aber ich bleibe so für eine ganze Weile. Brigitte sagt, ich solle meinen Fuß fest gegen ihre Schulter schieben, ihre Hand nehmen und mich in der Welle „rund“ ziehen zum Pressen. Brigitte steht, Anna kniet und der Druck wird immer stärker. Inzwischen bin ich heilfroh, dass der Kaffee da ist. Anna drückt bei jeder Wehe die heißen Kaffeekompressen auf meinen Damm. Irgendwann lässt Anna mich das Köpfchen fühlen. Ich frage, wie lange es noch dauert. Ich höre Anna sagen, dass sich das Baby doch tatsächlich aus der Sternenguckerposition raus gedreht hat und jetzt richtig liegt. Ich soll mich deswegen aus der Seitenlage wieder aufrichten und mir die Position aussuchen, die sich für mich gut anfühlt. Nach den nächsten Wellen brennt es ziemlich und alles spannt. Das Köpfchen schaut schon raus. Noch ein paar Mal schieben (Oder nur einmal? Ich weiß es nicht mehr.) und um 19:43 Uhr ist das Köpfchen geboren. Das Brennen lässt nach. Anna meint „Oh, es hat die Hand an der Wange…und knottert auch schon vor sich hin.“. Mit der nächsten Welle kommt der Körper zur Welt und unser Baby wird in Annas Arme geboren. Sie lässt es mich hoch heben und hilft mir, es auf meinen Bauch zu legen.
Erst nach einigen Minuten schauen wir nach und sehen, dass wir ein Mädchen bekommen haben.
Wir warten auf die Nachgeburt und nach rund 30 Minuten kommt die Plazenta. Anna untersucht sie und erklärt uns alles ganz genau. Sie kontrolliert meine Geburtsverletzungen und näht meinen Dammriss ohne Betäubungsspritze. Ich spüre überhaupt nichts. Anna näht in aller Ruhe und mit großer Sorgfalt. Christian kuschelt mit unserer Tochter und Anna geht mit mir zur Dusche.
Brigitte hat in der Zwischenzeit das Bett abgezogen und Anna zeigt mir, wie ich unsere Tochter an meine Brust zum Stillen anlegen kann. Christian und Brigitte erledigen noch Papierkram. Anschließend nimmt Anna noch die „U1“ ab und Brigitte und sie räumen auf.
Als die beiden sich verabschieden, die Tür zuziehen und wir drei alleine sind, fühle ich mich etwas hilflos.
Das Gefühl verabschiedete sich aber mit jedem Tag und jedem Besuch von Anna im Wochenbett ein Stückchen mehr. Und das beschreibt Anna für mich: Sie betritt den Raum und alles ist gut.
Liebe Anna,
auch wenn wir es dir schon so oft gesagt und geschrieben haben: DANKE für dieses wahnsinnig tolle Geburtserlebnis. Du bist eine großartige Hebamme, wunderbar warmherzige Frau und eine überzeugende Vertreterin der natürlichen Geburt. Sogar Christian hast du völlig in den Bann der Hausgeburt gezogen . Er erzählt überall von unserem wahnsinnig schönen Erlebnis.
Und das ist es, was wir Frauen auch machen sollten: Von unseren Geburtserlebnissen berichten! Und von dir, liebe Anna. Jeder sollte eine Anna haben <3

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